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Der wahre Wert des Schenkens

Weihnachten gilt ja bekanntlich als die “schönste Zeit des Jahres”. Eigentlich geht es um Entschleunigung, Dankbarkeit und Besinnlichkeit, darum eine entspannte Zeit mit lieben Menschen zu verbringen. Tatsächlich könnte man aber immer mehr das Gefühl haben, dass wir nicht das “Fest der Liebe”, sondern eine große Konsum-Party feiern. Zumindest steigen die Ausgaben für Weihnachtsgeschenke seit etlichen Jahren kontinuierlich, obwohl wir in wirtschaftlich schwierigen Zeiten leben.
Wir wollten wissen, wie das zusammenpasst und haben mit einer Psychologin über die Bedeutung des Schenkens in Krisenzeiten gesprochen.

Ein Text von Nina Tronnier

Mal ehrlich, was wäre Weihnachten ohne Geschenke?! Die bunten Päckchen unter dem Weihnachtsbaum gehören irgendwie dazu. Weil es schön ist, anderen eine Freude zu machen und sich selbst überraschen zu lassen. Weil es schön ist, wenn man merkt, dass sich jemand Gedanken gemacht hat. 
Stressig wird es allerdings, wenn wir uns zum Schenken verpflichtet fühlen, wenn wir eigentlich gar keine Idee haben, was wir schenken wollen und aus purem Zeitmangel einfach irgendetwas kaufen – offenbar immer häufiger nach dem Motto, “wenn es teuer ist, wird es schon was wert sein“. 
Dass viele bereit sind, zunehmend mehr Geld für Geschenke auszugeben, zeigen aktuelle Statistiken. Trotz der Inflation, der Kriege in der Ukraine und in Nahost sowie der anhaltenden Wirtschaftskrise in unserem Land steigen die Ausgaben der Deutschen für Weihnachtsgeschenke nämlich seit vielen Jahren kontinuierlich. 

Wie viel Geld wir für Weihnachtsgeschenke ausgeben

Im Auftrag des HDE (Handelsverband Deutschland) ergab eine Umfrage des Handelsblatt Research Institutes bei über 2.000 Personen, dass wir 2024 im Durchschnitt 297 Euro für Weihnachtsgeschenke ausgeben – das sind zumindest zwei Euro mehr als im Vorjahr.

Dass die Ausgaben für Weihnachtsgeschenke sogar weitaus höher ausfallen, hat hingegen eine Studie der FOM (Hochschule für Oekonomie und Management) ergeben. Rund 68.500 Personen haben an dieser repräsentativen Befragung teilgenommen. Demnach steigen in diesem Jahr die durchschnittlichen Ausgaben für Weihnachtsgeschenke auf 533 Euro – ein neuer Rekord, der den Vorjahreswert von 507 Euro deutlich übersteigt und den Anstieg seit 2011 (damals 339 Euro) bestätigt, heißt es in der Pressemitteilung. 

Der wissenschaftliche Leiter der FOM Weihnachtsstudie, Prof. Dr. Oliver Gansser, erklärt darin weiter:„Die kontinuierlich steigenden Ausgaben für Weihnachtsgeschenke zeigen deutlich, wie sich das Konsumverhalten der Deutschen in den letzten Jahren gewandelt hat – trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten bleibt Weihnachten ein Fest, bei dem nicht gespart wird.“ 

Wie lässt sich dieser vermeintliche Widerspruch erklären?

Nicht obwohl, sondern weil wir in einer Krisenzeit leben, möchten wir schenken und beschenkt werden. Die Psychologin Jana Axmann hält zwei Ursachen für dieses Phänomen für wahrscheinlich:  Erstens, seien Menschen in Krisenzeiten oder bei wirtschaftlicher Unsicherheit häufig stark darauf bedacht, ihre negativen Emotionen wieder auszugleichen. “Geschenke symbolisieren Liebe, Anerkennung und Zugehörigkeit. In schwierigen Zeiten kann das Bedürfnis, durch ein schönes Geschenk positive Emotionen zu erzeugen, besonders stark sein”, so die 36-Jährige.

Psychologin Jana Axmann | Fotografin: Daniela Kretzschmar
Psychologin Jana Axmann | Fotografin: Daniela Kretzschmar

Zweitens führt die Expertin das sogenannte Prinzip der Reziprozität an. Das sei eines der Grundprinzipien des menschlichen Handelns zur Festigung von langfristigen sozialen Bindungen und Kooperationen in Gruppen, erklärt Axmann und veranschaulicht das Prinzip durch folgendes Beispiel aus der Tierwelt der Vampirfledermäuse: “Wenn es einer Vampirfledermaus nachts nicht gelingt, genügend Nahrung zu finden, wird sie durch eine erfolgreichere Fledermaus gefüttert. „Diese Handlung ist ein klassisches Beispiel für Reziprozität, weil die Fledermaus, die zunächst Blut teilt, davon ausgeht, dass sie später selbst Hilfe erhält, wenn sie einmal in einer ähnlichen Notlage ist.”

Auch Studien hätten gezeigt, dass die fleißigsten ”Schenkenden” diejenigen sind, die auch am häufigsten Hilfe zurückbekommen. Reziprozität fördert in solchen Fällen das Überleben der Gruppe, da jeder Einzelne von der gegenseitigen Unterstützung profitiert. “Gerade in Krisenzeiten ist Teilen und Schenken daher (evolutionspsychologisch) vorteilhaft“, fasst die Psychologin abschließend zusammen.

Ist ein teures Geschenk mehr Wert? 

In der Geste des Schenkens steckt also der Wunsch eines gestärkten und liebevollen Miteinanders. Es klingt absolut nachvollziehbar, dass dieser Wunsch in unsicheren Zeiten besonders stark und wichtig ist. 

Aber ist es wichtig, wie teuer das Geschenk ist? Steigert ein höherer Preis den Wert eines Geschenks? 

Es gibt viele Möglichkeiten, zu schenken und Freude zu bereiten, ohne dabei Unsummen an Geld auszugeben: Das neue Fahrrad, Spielzeug oder Bücher beispielsweise könnten wir auch second hand kaufen. Gemeinsame Zeit zu verschenken kostet sogar wenig bis gar kein Geld, sondern fordert lediglich ein wenig Kreativität und Einfallsreichtum. 

Psychologin Jana Axmann hat eine große Familie, die sich in der Regel einmal im Jahr an Weihnachten trifft. Eltern, Großeltern, Cousinen und Cousins, Kinder, Enkel und Urenkel kommen dann zusammen. “Wir sind dann mehr als 20 Menschen. Wenn wir uns alle gegenseitig beschenken würden, wäre das viel zu viel.” Daher gelte die Regel, dass nur Kinder beschenkt werden. Allerdings, mit einer Ausnahme, erzählt Axmann: “Mein charmant schräger Onkel denkt sich jedes Jahr etwas aus, wie er uns ALLE beschenken kann, ohne dass es Geld kostet: Einmal musste jede:r ein Streichholz ziehen, das mein Onkel vorher präpariert hatte. Wer das längste Streichholz hatte, wurde mit einer ganzen Streichholzschachtel reich beschenkt.”

Liebe NEWSiversum-Community, was und wie viel hast du in deine Weihnachtsgeschenke investiert? Mehr Zeit oder mehr Geld? Und welche Art von Geschenk ist für dich besonders wertvoll?