Ellis Saturday-Morning Report Vol. 22
Guten Morgen, liebe News-Crew!
Im Galopp rasen wir durch die Wochen, oder? Das kommt einem ja immer so vor, wenn viel los ist…
Die Nachrichtenlage im Nahostkrieg bleibt angespannt und ich habe euch auf Instagram dazu ein paar Artikel geschrieben.
Unter anderem findet ihr dort einen persönlicher Text, in dem ich meine Gedanken über die mittlerweile und gerade bei diesem Krieg verheerende vorherrschende “Diskussionskultur” auf Social Media teile.
Es ekelt mich an, wie sehr bei diesem Krieg menschliches Leid gegeneinander aufgewogen wird, wie unter jedem Bericht direkt die “Whataboutism”-Keule geschwungen wird. Dieses Gefühl, diese Gedanken, dieser Frust musste mal raus. Daraus ist der Text entstanden der den Titel trägt: “Was ist los mit Euch?”. Ihr findet ihn auf meinem Instagram-Kanal.
Auf der Website, unserem NEWSiversum, ist exklusiv für Euch ein Artikel über die Beziehungen Israels zu seinen vier direkten Nachbarländern online gegangen. Hier geht es zum Artikel.
Und in dieser Ausgabe schauen wir explizit auf andere Teile der Welt – denn die geraten aktuell eher in Vergessenheit. Ihr werdet sehen: Auch da ist viel los und ein Blick durch die News-Brille lohnt sich definitiv!
Also, Kaffee in die Hand (Apropos Kaffee: Ich freue mich total, dass bereits gestern einige News-Crew-Mitglieder unsere “Oben-ohne”-Tasse per Post bekommen haben. Wer weiß, vielleicht genießt ihr ja Euren ersten Kaffee gerade daraus…?! Teilt gerne ein Foto auf Instagram und verlinkt mich, sodass ich es sehen kann :)) – und los geht’s!
Hier kannst du den ESMR Vol. 22 als Podcast hören:
Das war diese Woche wichtig:
1. Weil Massenabschiebungen drohen – Zehntausende Afghanen verlassen Pakistan
Ausländer ohne ordnungsgemäße Registrierung oder gültige Papiere sollen das Land verlassen. So will es Pakistans Regierung und hatte Migranten und Geflüchteten eine Frist bis zum 1. November gesetzt, um freiwillig auszureisen. Ansonsten drohten Zwangsabschiebung und eine Unterbringung in neu errichteten Abschiebelagern. Besonders betroffen sind die im Laufe der letzten Jahrzehnte nach Pakistan geflüchteten Afghanen – fast fünf Millionen sollen es sein. Laut UN haben rund zwei Millionen von ihnen keine Papiere. Allein in der letzten Flüchtlingswelle nach erneuter Machtübernahme der Taliban in Afghanistan waren noch einmal ca 600.000 Männer, Frauen und Kinder ins benachbarte Pakistan geflohen.
Seit zwei Wochen drängen sich nun Zehntausende, um mit Bussen oder LKW über die Grenze zurück nach Afghanistan zu gelangen. Dort müssen sie sich bei den Behörden registrieren, die aber auf diese Einreisewelle gar nicht vorbereitet sind. Annähernd 150.000 Menschen sollen bis zu diesem Wochenende bereits in Afghanistan gestrandet sein. Dort fehlt es jedoch an Wasser, Nahrung und geeigneten Unterkünften. Das rückständige und von den Taliban beherrschte Land war zuletzt von mehreren schweren Erdbeben heimgesucht worden. Nun droht vor Anbruch des harten Winters eine weitere humanitäre Katastrophe.
Pakistans Regierung sieht sich wegen der Abschiebekampagne massiver Kritik ausgesetzt. So beschuldigt Human Rights Watch, auf eine Politik der Angst und Einschüchterung zu setzen, um Asylsuchende ohne Papiere zur Rückkehr zu bewegen. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk drängt darauf, stattdessen seine Bemühungen um ordentliche Registrierung der Flüchtlinge zu verstärken.
Für viele betroffene Familien ist die Vertreibung aus Pakistan eine Katastrophe. Denn manche waren bereits aus Afghanistan geflohen als die Rote Armee der Sowjetunion dort einmarschierte und das Land besetzte (1979-1989). Ihre Kinder und Enkel sind in Pakistan geboren – Afghanistan ist ihnen fremd. Sie fürchten das grausame Regime der radikalislamischen Taliban, haben Angst vor einer ungewissen Zukunft.
Die Regierung Pakistans begründet die massive Abschiebungskampagne mit einer Verschärfung der Sicherheitslage. Offenbar befürchten die Behörden auch das Einsickern afghanischer Taliban, also sozusagen importierten Terror. Die Aktion dürfte auch wahltaktische Gründe haben: Anfang 2024 sollen in Pakistan die Parlamentswahlen stattfinden. Auf dem ehemals als Twitter bekannten Kurznachrichtendienst X zeigte sich Innenminister Sarfaz Bugti jüngst angesichts der Deportation einer Gruppe von 64 Afghanen kompromisslos: „Diese Maßnahme ist ein Beweis für die Entschlossenheit Pakistans, alle Personen, die sich ohne ordnungsgemäße Papiere im Land aufhalten, zurückzuschicken.“ Pakistans Regierung bleibt bei ihrer harten Linie – in der Hauptstadt Islamabad wurde mit Bulldozern demonstrativ eine große Flüchtlingssiedlung abgerissen.
2. Steinmeier bittet um Vergebung für Deutschlands Kolonialgräueltaten in Tansania
Wenn es um Deutschlands historische Schuld geht, kommen den meisten von uns vermutlich sofort die Verbrechen der Nazi-Zeit in den Sinn. Darüber haben wir viel gelernt, vor allem über den organisierten Völkermord an Europas Juden. Weit weniger bekannt sind die Gräueltaten auf dem afrikanischen Kontinent aus deutscher Kolonialvergangenheit.
Mit einer bemerkenswerten Reise sorgt der Bundespräsident nun für neue Aufmerksamkeit für ein weiteres finsteres Kapitel unserer Geschichte.
Frank-Walter Steinmeier hat Scham für die kolonialen Gräueltaten ausgedrückt, die Deutschland Tansania während der Kolonial-Besatzung von 1885 bis zum Ersten Weltkrieg angetan hat. Allein bei der blutigen und brutalen Niederschlagung der Maji Maji Rebellion (1905-1907) kamen fast 300.000 Menschen ums Leben. Die indigene Bevölkerung hatte sich dagegen aufgelehnt, für den Baumwollexport ausgebeutet zu werden. Der Aufstand gegen die Kolonialherrschaft in Deutsch Ostafrika (dazu zählten neben dem damaligen Tanganjika auch das heutige Ruanda, Burundi und Teile von Mosambik) hatte sich auch an den immens hohen Steuern entzündet, die der damalige Gouverneur Gustav Adolf Graf von Götzen erheben ließ. Afrikanische Soldaten, die Askaris, halfen den Aufstand niederzuschlagen. Infolgedessen brannten deutsche Kolonialtruppen zahllose Dörfer und Felder nieder. Auch Vertreibung und Hungersnöte führten zu massenhaftem Tod. Immer wieder wurden Aufständische zur Abschreckung öffentlich hingerichtet. Ein Museum in der tansanischen Stadt Songea erinnert daran.
Just an diesem Schauplatz wandte sich Steinmeier an die Nachfahren der damals Ermordeten. „Ich verneige mich vor den Opfern der deutschen Kolonialherrschaft. Als deutscher Bundespräsident möchte ich um Verzeihung bitten für das, was Deutsche Ihren Vorfahren angetan haben.“ Die Bundesregierung sei bereit, die Gewalttaten unter deutscher Besatzung und die Ausbeutung gemeinsam aufzuarbeiten. Die frühere Kolonie Deutsch Ostafrika sei mit grausamer Härte geführt worden. Er sei beschämt über die Taten der Kolonialherren, sagte Steinmeier.
Über seinen Besuch in Tansania wurde auch international berichtet, etwa durch die BBC. Dort wird der tansanische Historiker Mohamed Said zitiert, der Steinmeiers Bitte um Vergebung gleichzeitig begrüßt und für nicht ausreichend erklärt: „Die haben damals beschlossen, Farmen in Brand zu setzen, damit den Menschen die Nahrung ausgeht und sie nicht mehr in der Lage sind, zu kämpfen. Das ist inakzeptabel, in der heutigen Welt wären sie (die Täter) vor Gericht gestellt worden.“
3. Strafverfahren gegen bayerischen AfD-Politiker wegen Volksverhetzung
Der bayerische AfD-Politiker Daniel Halemba war am Montag (30.10.) nach tagelangem Untertauchen festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt bereits seit September im Zusammenhang mit einer Razzia im Verbindungshaus der NS-verherrlichenden Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg. Der Anfangsverdacht hat sich nun erhärtet. Dabei geht es um den Verdacht des Besitzes verfassungsfeindlicher Gegenstände und rassistischer Schriften. Dem 22-Jährigen und vier weiteren Mitgliedern der Burschenschaft wird Volksverhetzung und das Verwenden von Symbolen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen.
Wenig später wurde der Haftbefehl aufgehoben, seit Dienstag (31.10.) kann Halemba deshalb wieder an Landtagssitzungen teilnehmen – allerdings unter Auflagen: Er muss sich einmal wöchentlich an seinem Wohnort Würzburg bei der Polizei melden. Außerdem wurde ihm der Kontakt zu Mitgliedern der Teutonia untersagt.
Wusstest du das?
Grundsätzlich sind Politiker:innen durch die sogenannte Immunität in bestimmten Rechts- und Strafsachen vor Verfolgung oder Festnahme geschützt, um ihre politische Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Die Immunität kann jedoch aufgehoben werden, wenn ein begründeter Verdacht auf schwere Straftaten besteht oder wenn die Parlamentarier:innen dies selbst beantragen, um sich vor Gericht zu verteidigen. Umstritten ist, ob die Immunität auch für Straftaten gilt, die vor Amtsantritt begangen wurden. Um diesen Zweifel auszuräumen, hat der Bayerische Landtag am Montag die Immunität Halembas aufgehoben. Dafür stimmten alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD, deren Fraktion sich der Stimme enthielt. Halemba bestreitet alle Vorwürfe.
4. Bundesverfassungsgericht fällt Urteil zur Wiederaufnahme von Strafverfolgung
Wer einmal rechtskräftig freigesprochen wurde, muss keine Angst davor haben, dass das Strafverfahren in der Zukunft erneut eröffnet wird. Das urteilte am 31. Oktober das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Hintergrund war ein Prozess im Jahr 1981 um den Mord an der 17-jährigen Frederike von Möhlmann. Trotz rascher Verhaftung des Tatverdächtigen wurde dieser aus Mangel an Beweisen rechtskräftig freigesprochen. Jahrzehnte später, im Jahr 2012, tauchten durch verbesserte DNA-Analysen neue Beweise auf, die den Freigesprochenen belasteten. Ein neuer Prozess war aber wegen der bereits erfolgten Verurteilung nicht möglich.
Lange wurde diskutiert, ob die Weiterentwicklung der Technik, insbesondere der DNA-Analyse, eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würde, wenn entsprechende Beweise vorlägen.
Schließlich ermöglichte die Große Koalition 2021 die Wiederaufnahme eines Verfahrens bei schweren Straftaten trotz rechtskräftigem Freispruch, wenn entsprechende Beweise vorliegen.
Daraufhin wurde der Verdächtige im Fall Möhlmann im vergangenen Jahr erneut angeklagt. Dieser legte jedoch Verfassungsbeschwerde ein – mit Erfolg. Am Dienstag (31.10.23) kamen die Verfassungsrichter:innen in Karlsruhezu dem Schluss, dass die Gesetzesänderung in der Strafprozessordnung verfassungswidrig und damit nichtig sei. Wer einmal rechtskräftig freigesprochen worden sei, dürfe nicht weiter in der Angst leben, dass das Verfahren bei veränderter Beweislage neu aufgerollt werden könne.
Ein Blick auf Israels Nachbarn: Wie sind die Beziehungen zu Israels vier direkten Nachbarländern – welche Akteure sind noch relevant?
Frankreich will Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankern
„Im Jahr 2024 wird die Freiheit der Frauen, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, unumkehrbar sein.“ Damit verkündete der französische Präsident Emmanuel Macron am vergangenen Sonntag auf X (ehemals Twitter), dass Frankreich das Recht von Frauen auf Abtreibung in der Verfassung verankern wird. Seine Ankündigung basierte auf einem Versprechen, das Macron bereits am 8. März, dem Internationalen Frauentag, gemacht hatte.
Dies war damals eine Reaktion auf das Urteil des US-Supreme Courts im Juni 2022, welches das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt hatte. Der französische Präsident möchte dies für sein Land verhindern und deshalb das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung verankert haben.
Seit 1975 gibt es in Frankreich eine Entkriminalisierung von Abtreibungen. Es gibt aber bisher kein von der Verfassung garantiertes Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch. Im Durchschnitt werden in Frankreich etwa 230.000 Abtreibungen pro Jahr durchgeführt, das ist ungefähr jede vierte Schwangerschaft.
In Frankreich benötigt eine Verfassungsänderung entweder die Zustimmung von mindestens drei Fünfteln der Mitglieder beider Parlamentskammern oder eine Volksabstimmung. Somit würde es künftig in Frankreich schwer werden, das Recht auf Abtreibung einzuschränken oder abzuschaffen.
Mathilde Panot, die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei LFI, bezeichnete die Pläne als einen "Sieg für die Feministinnen".
Übrigens: 81 Prozent der Franzosen sind laut Umfragen für die geplante Verfassungsänderung. Macron schrieb auf X, dass ein Gesetzentwurf dem Ministerrat bis Ende des Jahres vorgelegt werde.
Frankreich wäre mit dieser Entscheidung das erste Land der Welt, das das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in seine Verfassung aufnehmen würde.
In Zeiten, in denen in vielen Ländern die Rechte von Frauen beschnitten werden, sind diese Nachrichten aus Frankreich für mich ein Hoffnungsschimmer und meine “Good News” der Woche.
Herzlichst aus Hamburg,
Elisabeth