Gelassenheit bedeutet allerdings nicht, dass plötzlich alles einfach wird.
Fakt ist: Egal wie gut du strukturiert bist, vorgeplant hast und alle Eventualitäten mitgedacht hast: Unser Leben gleicht aktuell einer einzigen Rushhour. Voll und unvorhersehbar.
Dazu gehört auch, dass ich es nicht immer schaffe, in dem gelassenen Zustand zu sein, in dem ich am liebsten bin, wenn das erste Kind nach Hause kommt.
Stress bei der Arbeit, Ärger, oder einfach nur ein schlechter Tag – und ich bin eher genervt, als gelassen.
Gleiches gilt natürlich für die Kinder: Sie hatten Stress in der Schule, Ärger im Kindergarten – oder auch einfach nur einen schlechten Tag haben. Dann gibt’s Streit, Diskussionen, Tränen, Gebrüll.
Und dann reicht nicht mal ein Bad in einer Wanne voll Gelassenheit.
„Maaaaaaaaaan“, rufe ich dann manchmal laut.
Was folgt ist wieder Gegengebrüll und Türengeknall.
Und ich fühle mich schlecht, schließlich bin ich die Mutter. Ich muss ruhig bleiben. Schreien geht gar nicht.
Dann atme ich ein paar Mal länger aus als ein und erkläre mich: „Es tut mir leid, dass ich so reagiert habe. Ich hatte heute bei der Arbeit richtig Ärger und deshalb bin ich nicht gut drauf. Entschuldigung, dass ich so laut war. So möchte ich gar nicht sein.“
Dann nimmt mich meine Tochter in Arm und sagt: „Entschuldigung angenommen.“
Inzwischen passiert das nicht mehr häufig.
An anstrengenden Tagen sage ich nun: „Es tut mir leid. Heute bin ich etwas genervt. Bitte seid geduldig mit mir. Ich versuche meine Bestes zu geben. Ihr würdet mir sehr helfen, wenn ihr euch heute wirklich Bettfertig macht, wenn ich euch darum bitte und nicht trödelt oder heimlich weiterspielt.“
Gestern hätte wieder so ein Gebrüll-Tag werden können. Aber zwei Schlüsselmomente verhinderten dies.
Alle waren mürrisch und als ich einem Kind eine Frage stellte, wurde ich angebrüllt. Die Tür wurde zugeknallt. Sie ging aber sofort wieder auf:
„Mama. Tut mir leid, dass ich gerade so schreien musste. Aber alle wollten gerade was von mir. Einer hat eine Frage gestellt, der andere wollte mit mir spielen und ich auf Toilette. Und dann hast du auch noch gefragt ob ich Hausaufgaben auf habe. Das war mir zuviel.“
„Das kann ich verstehen“, antworte ich. Die Sätze meines Kindes rührten mich.
Denn just eine Stunde vorher hatte ich mein Kindergartenkind abgeholt. Schon beim ersten Blick sah ich, dass etwas nicht stimmte.
„Na“, sagte ich beim Verlassen der Kita. „Was ist den los?“
– „Heute war ein richtig doofer Tag“, seufzte es.
„Das tut mir leid. Dann lass’ uns mal überlegen, wie wir aus dem doofen Tag noch einen guten machen. Vielleicht würde eine Runde Lotti Karotti spielen helfen?“ Das leichte Nicken reicht als Antwort.
Meine Kinder sollen verstehen, dass alle Gefühle ihre Berechtigung haben. Sie kommen und gehen, wie Wellen im Meer. Und sie alle rühren irgendwoher.
Das zu erkennen und auszusprechen war für mich eine so wichtige Erkenntnis. Ich bin dadurch, vor allem in meiner Mutterrolle, auch mit mir milder geworden und kann mir besser verzeihen.
Ich hoffe, meine Kinder lernen, Milde mit sich selbst zu sein und schon früh zu erkennen, dass alle Gefühle – auch die der anderen – Teil des Lebens sind.
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