Pilzesammeln: Entschleunigen, entspannen, entdecken
Wir haben mit Moritz Schmid, dem zertifizierten Pilzcoach und Autor des Buches “Mushroom Fever”, darüber gesprochen, warum Pilze so faszinierend sind, was den Reiz von Pilzwanderungen ausmacht und was wir beim Sammeln unbedingt beachten sollten.
Ein Text von Nina Tronnier · Bilder und Fotos von Moritz Schmid
Folgendes Szenario: Irgendwo zwitschern ein paar Vögel und es raschelt zaghaft im Laub, ansonsten ist es wunderbar leise. Es riecht nach Moos, Erde und Tannennadeln, während sich ein paar Sonnenstrahlen ihren Weg durch das grüne Blätterdach der Bäume bahnen…
Tief durchatmen und entspannen kann Pilzcoach Moritz Schmid im Wald am allerbesten. Der 44-Jährige wohnt im Berliner Umland und ist schon seit er ein Kind ist von Pilzen fasziniert – verständlicherweise, sind sie doch eine unfassbar interessante Spezies: Weder Pflanze noch Tier sind Pilze ganz eigene Organismen, die ältesten unseres Planeten und gelten sogar als “die heimlichen Herrscher der Welt”.
Sie sind allgegenwärtig und wahre Alleskönner mit wirklich verblüffenden Fähigkeiten. (Wir empfehlen in diesem Zusammenhang “Das geheime Leben der Pilze” eine Folge des Nachrichtenpodcast “Was jetzt?” von ZEIT ONLINE.)
Großer Hype um Pilze
War das Sammeln von Pilzen bis vor einigen Jahren noch ein liebgewonnenes Herbstritual unserer Eltern-/ Großelterngeneration, hat sich daraus ein wahrer Lifestyle-Trend entwickelt, der nun auch viele junge Menschen erreicht. Tristan, der zurzeit der erfolgreichste Pilz-Influencer Deutschlands, ist gerade einmal 18 Jahre alt. Auf seinem Instagram-Kanal “Pilzadiccted” hat er knapp 100.000 Follower.
Auch Moritz Schmid folgen über 50.000 Menschen auf seinem Instagram-Kanal “intothewoods_mushrooms” , um sich über Pilze zu informieren. “Der Pilz-Hype ist in den vergangenen Jahren total explodiert”, beobachtet Schmid. “Seit der Corona-Pandemie gehen die Menschen wieder mehr in den Wald und besinnen sich zurück auf die Natur.”
Darüber hinaus seien Pilze auch für Forschung und Wissenschaft zunehmend interessant, so Schmid weiter. “Pilze als Dämmstoff, Pilze, die Plastik abbauen, oder Pilze als Fleischersatz sind nur einige Beispiele.”
Auch Vitalpilze, die in den USA im Rahmen von alternativen Heilmethoden schon seit einigen Jahren sehr geschätzt werden, sind hierzulande stark im Kommen. Als Beispiel nennt Schmid den “Chaga” Pilz. Der wächst an Birken und soll reich an Antioxidantien unter anderem das Immunsystem stärken und die Darmgesundheit verbessern. Schmid trinkt jeden Morgen nach dem Aufstehen eine heiße Tasse Chaga.
Ein paar wichtige Pilzsammel-Tipps für Anfänger von Moritz Schmid:
- Habe Respekt vor allen Lebewesen des Waldes, nimm Rücksicht. Störe keine Tiere und trete keine jungen Bäume oder Pflanzen platt. In Naturschutzgebieten ist das Sammeln von Pilzen nicht erlaubt!
- Deine Ausrüstung zum Sammeln: Ein Korb (keine Tüte!), damit Luft an die Pilze kommt, und ein Pilzmesser mit einer Bürste am Messerrücken, damit du die Pilze direkt vorsichtig von Schmutz befreien kannst
- Pilzunkundige sollten sich anfangs ausschließlich auf Röhrlinge konzentrieren, weil es unter ihnen keine giftigen Arten gibt, die tödlich sind. Röhrlinge erkennt man daran, dass sie unter dem Hut keine Lamellen, sondern eine schwammartige Röhrenschicht haben.
- Ist der Pilz noch gut? Der Hut sollte noch schön fest sei. Drücke mit dem Finger vorsichtig auf den Hut des Pilzes. Wenn die Druckstelle im Hut bleibt, dann findet schon eine Eiweißzersetzung statt und der Pilz ist ungenießbar.
- Entnehme den Fruchtkörper immer im Ganzen (hebel ihn vorsichtig heraus), damit du für die genaue Bestimmung keine wichtigen Erkennungsmerkmale abschneidest. Danach das Loch wieder mit Erde bedecken, damit der Pilz nachwachsen kann.
- Mache von dem Pilz einen Querschnitt, um ihn genau kennenzulernen: Wie sieht er aus? Verfärbt er sich oder nicht? Wie riecht er?
- Wichtig: Bitte nicht auf Apps verlassen, sondern ein Pilzbestimmungsbuch dabei haben.
Die köstlichen Schätze des Waldes entdecken
Aber zurück zum Wald. Denn jetzt im Herbst ist bekanntlich Hochsaison für Steinpilze, Maronen-Röhrlinge, und Co… Sie alle sind reich an Eiweiß, Vitaminen, Ballast- und Mineralstoffen.
Wo die köstlichen Speisepilze wachsen, sei nicht von bestimmten Regionen abhängig, sondern vom Niederschlag (Pilze mögen es feucht und warm) und vom Habitat, erklärt Schmid. Steinpilze, Maronen-Röhrlinge und Pfifferlinge zum Beispiel lieben saure Nadelwälder, man findet sie vorrangig in der Nähe von Fichten oder Kiefern.
In Buchenwäldern hingegen wächst die Herbsttrompete, ein beliebter Würzpilz. Ein leckerer Speisepilz ist außerdem der Riesenschirmling, der bis in den Spätherbst in lichten Laubwäldern, Parks und Friedhöfen, an Straßen- und Waldrändern wächst.
Aber Achtung: Der Riesenschirmling kann schnell mal mit dem giftigen spitzschuppigen Schirmling verwechselt werden. Oder der harmlose Wiesenchampignon sieht dem tödlich giftigen Knollenblätterpilz sehr ähnlich.
Schmid weiß, dass es gerade für Laien schwierig ist, Speisepilze von giftigen Doppelgängern zu unterscheiden.
Von den zahlreichen Apps, die Pilze bestimmen sollen, rät der Pilzcoach übrigens dringend ab, da sie mit einer ca. 50-prozentigen Trefferquote viel zu unsicher seien. Stattdessen rät er allen, die Lust haben, Pilze sammeln zu gehen, stattdessen lieber mit einem Pilzbestimmungsbuch in den Wald zu ziehen. Oder an einem Workshop teilzunehmen.
Warum Pilzwanderungen so wohltuend sein können
Wenn Moritz Schmid im Rahmen seiner Pilzsammel-Workshops mit den Teilnehmern durch den Wald wandelt, geht es zwar vorrangig um Pilze, aber auch um das Ankommen und das Sein in der Natur, darum, den Wald mit allen Sinnen wahrzunehmen.
Dass der Wald sich positiv auf unser Wohlbefinden auswirkt, sei wissenschaftlich belegt, so Schmid, der übrigens nicht nur Pilzcoach, sondern auch “Waldbademeister” ist, wie er sich selbst betitelt. (Ganz offiziell ist er zertifizierter Kursleiter der Deutschen Akademie für Waldbaden und Gesundheit.)
“Schon etliche Studien haben gezeigt, dass ein Spaziergang im Wald die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol reduziert und unsere Stimmung positiv beeinflusst.“ In Japan sei das “Shinrin Yoku,” das sogenannte Waldbaden, sogar eine anerkannte Therapieform, die dort von Ärzt:innen verschrieben werde.
Beim Pilzesuchen sollte es also nicht nur um das Entdecken gehen, sondern auch um Entschleunigung und Entspannung. Denn Schmid weiß aus eigener Erfahrung: “Wer nur möglichst schnell viele Pilze finden will, der findet meist gar nichts.”
Es bedarf also offenbar einer gewissen Ruhe und Achtsamkeit, die kleinen Schätze des Waldes ausfindig zu machen…
Das Buch von Moritz Schmid „Mushroom Fever” ist diesen Sommer ganz frisch im Kosmos-Verlag erschienen. Illustriert von seinen wunderschönen Fotografien stellt Schmid darin viele verschiedene Pilzarten vor, gibt wertvolle Sammel-Tipps und inspiriert seine Leser mit kreativen Ideen rund um das Thema Pilze. Denn Schmid macht sogar Kunst mit Pilzen: Seine Flatlays sind auf seiner Internetseite zu sehen und können dort auch käuflich erworben werden. (Flatlays sind Fotografien, die künstlerisch angeordnete Objekte – in diesem Fall Pilze – aus einer Vogelperspektive zeigen.)
Aufgepasst: Wir verlosen 3 x das Buch “Mushroom Fever” von Moritz Schmid im Wert von je 22 €.
Schreibe dazu einfach bis Montag, 23.09. eine E-Mail an redaktion@newsiversum.com mit dem Betreff Gewinnspiel und erzähle uns in einem Satz, warum du 🍄🟫 von 🍄 unterscheiden können möchtest 🙌 🫶
Mushroom Fever
von Moritz Schmid
Erschienen bei KOSMOS
Band 1: ISBN: 978-3-473-40358-5
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